Gregor Paul, Universität Karlsruhe
Der empfehlenswerte Band schließt Untersuchungen zu zwei Komplexen ein. Einmal geht es um Fragen einer Methodologie komparativer Studien. Zum anderen geht es um die Problematik der Kompatibilität und Übertragbarkeit von Werten verschiedener Kulturkreise. Beiträge zur Methodologie stammen von Ram Adhar Mall, Günter Wohlfahrt, ZHANG Longxi, Wolfgang Kubin, ZHANG Kuan und Lutz Geldsetzer. Aber auch die Studien von Heiner Roetz und Karl-Heinz Pohl haben methodologische Implikationen. Zu den Beiträgen, die ich der zweiten Kategorie zurechne, gehören zum Beispiel die Ausführungen von LI Shenzhi und LI Zehou.
Wie selbst bei einem guten Sammelband zu erwarten, variiert das Niveau von Beitrag zu Beitrag. Wenn ich Folgenden eigene Urteile abgebe, so bringe ich damit auch eigene Überzeugungen zum Ausdruck Zwar meine ich, dass diese Überzeugungen gut begründet sind. Wenn ich sie vorab kurz skizziere, so will ich jedoch auch explizit machen, dass sie ein gewisses Interesse reflektieren. Wer dieses Interesse ablehnt, wird vielleicht schon deshalb meine Kritik ablehnen. Mein Interesse gilt in erster Linie Fragen der argumentativen Qualität und der Gültigkeit einer Hypothese. Und ich gehe davon aus, dass derartige Fragen keine Funktion unterschiedlicher Kultur sind. Ob etwas gilt, hat nichts damit zu tun, woher und von wem es kommt, und wann es gesagt wurde. Die Gültigkeit des so genannten "Satzes von Pythagoras" bleibt davon unberührt, dass er wahrscheinlich gar nicht von Pythagoras stammt etc. Weiterhin gehe ich davon aus, dass man vom bloßen Sein nicht aufs Sollen schließen kann. Dass eine kulturelle Tradition bereits lange besteht, impliziert, für sich allein genommen, in keiner Weise, dass sie bestehen bleiben sollte. Auch wenn man zehn Jahre in einem Schachklub war, so folgt (allein) daraus nicht, dass man bis zum Tode Mitglied bleiben sollte. Anders als um Fragen der Gültigkeit steht es um Fragen der Überzeugungskraft, der Akzeptabilität und der "Durchsetzbarkeit". Das Verhalten eines Menschen mag problematisch sein. Das Leben in einer bestimmten Kultur mag Verstöße gegen die Menschenrechte einschließen. Viele sind überzeugt, dass fundamentalistisches muslimisches Recht - Abhacken der Hände und Steinigen - solche Verstöße legitimiert. Aber der Versuch, eine (schnelle) Änderung dieser Rechtspraxis zu erzwingen, würde wohl kriegerische Auseinandersetzungen unumgänglich machen und damit womöglich größeres Leid bewirken, als faktisch besteht. Mag also die Norm, dass (auch) eine Ehebrecherin nicht gesteinigt werden dürfe, gültig sein, so ist doch ihre Verletzung sozusagen zumindest vorläufig hinzunehmen, wenn nicht noch größeres Leid entstehen soll. Wer sich freilich vor allem dafür interessiert, die muslimische Rechtspraxis der Steinigung zu verstehen und zu erklären, wird vielleicht kaum über Gültigkeit reden (wollen). Er wird sich auf die Darstellung und Erörterung spezifischer soziopolitischer und historischer Bedingungen konzentrieren. Meines Erachtens sind beide Interessen - ich etikettiere sie einmal als "philosophisch" und "historisch" - nicht nur miteinander vereinbar. Sie können sich in sinnvoller Weise ergänzen. Der Streit zwischen entsprechenden Vertretern ist denn auch im Allgemeinen ein Scheingefecht. Nur wenn man der Überzeugung huldigt, dass es so etwas kulturunabhängige Argumentation und Gültigkeit gar nicht gebe oder geben könne, bezieht man wirklich Position gegen die zwei methodologischen Prinzipien (der Unabhängigkeit von [1] Genesis und Geltung und [2] Sein und Sollen), von denen ich, wie gesagt, im Folgenden ausgehe.
Bei aller Instruktivität und bei aller Anregung, die sie vermitteln, kranken einige Beiträge daran, dass sie "philosophisches" und "historisches" Interesse und die entsprechenden Problemkreise nicht oder doch nicht hinreichend klar voneinander unterscheiden. Das gilt insbesondere für die Studien Malls und Pohls. Wie schon seit Jahren quält sich Mall auch in seiner engagierten Studie "Towards a Theory and Practice of an 'Analogous' Intercultural Hermeneutics" zu zeigen, dass Kulturzentrismus und kulturelles Überlegenheitsgefühl unbegründet sind, wenn es um Vergleiche etwa zwischen "europäischer" und "indischer" Philosophie geht. Aber die Sachlage ist in der Tat derart evident, dass Malls Sorge längst obsolet ist. Ich kenne keinen einzigen Komparatisten, der heutzutage sozusagen axiologisch-kulturzentrisch darstellte oder argumentierte. Was Mall jedoch erneut nicht zur Sprache bringt, ja nicht einmal als Problem aufwirft, ist eben die Frage, ob argumentative Qualität und Gültigkeit philosophischer Hypothesen aller bestehenden Unterschiede ungeachtet von kulturellen Spezifika unabhängig sind. Entsprechend unklar ist denn auch sein Konzept einer "analogen Hermeneutik". Im Übrigen ist der Ausdruck "Hermeneutik" - und selbst das Wort "hermeneutics" - in einer Hinsicht bezeichnend. Es geht danach weniger um eine allgemeine Methodologie überhaupt als eben um Fragen des (bloßen) Interpretierens und Verstehens. Einer Philosophie, die sich überhaupt nicht auf die Frage der Gültigkeit einlässt, fehlt es am Philosophischen. Mall selbst weiß, dass dies kein "eurozentrischer" Standpunkt ist. Denn Erkenntnistheorie, Argumentationstheorie und Logik spielten auch im traditionellen Indian, etwa im nyâya und buddhistischen hetuvidyâ , eine überragende Rolle. Und selbstverständlich ging es auch der klassischen indischen Philosophie um Gültigkeit. Mall schließt seinen Beitrag mit einem Hinweis darauf, dass es mehr als "one ultimate truth" geben könnte (S. 13). Diese Andeutung ist nicht nur problematisch vage. Es kann nun einmal nicht mehr als eine Wahrheit geben. Andernfalls müsste man die Allgemeingültigkeit formaler logischer Grundprinzipien bestreiten (was Mall bei all seiner "Verteidigung" der Besonderheit "indischer Logik" wohl doch nicht wollte). Man würde im Irrationalismus enden. Was man tun kann ist, ist Folgendes: Wie Mall kann man festhalten, dass, was ich einmal die ganze oder letzte Wahrheit nenne, prinzipiell nicht vollständig erreichbar sei. Zu viele neue Erkenntnisse werfen zu viele neue Fragen auf. Was man noch tun kann, und dies ist meine Position, ist, auf die Fragwürdigkeit jedes Wahrheitskultes aufmerksam zu machen. Wer wie die traditionelle katholische Kirche die Wahrheit über die Friedenspflicht (oder Toleranz) stellt, ist oft nicht weit davon entfernt, aus "Liebe zur Wahrheit" zur Unmenschlichkeit zu raten. Wahrheit ist vielfach gar nicht so wichtig, wie man meint. Sie ist relevant, wenn es darum geht, dass Brücken halten und Flugzeuge nicht abstürzen. Aber im Alltag kommt es oft eher auf Takt und Rücksicht an. Im interkulturellen Bereich schließlich - und insbesondere im Miteinander der Religionen - ist Wahrheit prima facie der Friedenspflicht unter zu ordnen. Eine, wenn nicht die Chance der Philosophie liegt eben gerade darin, sich argumentativ - jenseits etwa religiöser Fundamentalismen - mit Gültigkeitsfragen (ich vermeide gern das Wort "Wahrheit") auseinander zu setzen, ohne nun etwa eigene Einsichten "durchsetzen" oder anderen gar deren "Heil" aufzwingen zu wollen. Anders als Religionen, die Heilswahrheiten verkünden, formuliert Philosophie prinzipiell falsifizierbare Hypothesen. Wenn nicht in (selbst)kritisch argumentativer Methodik - worin soll Philosophisches überhaupt liegen? Aber vielleicht geht es Mall in der Tat nicht um Philosophie, sondern in (fast?) holistischem Sinn um interkulturelles Miteinander überhaupt.
Ein Wort noch zu Malls Übernahme und Bekräftigung der Hypothese eines "chinesischen Universismus", der, wie Mall es sagt, chinesischen "Sicht, dass Mensch und Natur ein Kontinuum bildeten" (S. 10). Nach Mall belegt Zhuangzis Anekdote von der Freude der Fische "die These vom Universismus zweifelsfrei" (S. 12). Dies ist, gelinde gesagt, eine kühne Behauptung. Nicht nur ich, sondern auch ein Sinologe wie Heiner Roetz hält die These für in geradezu grotesker Weise irrig. Nicht nur in der Folge Xunzis gab es zahllose Philosophen, die die fundamentale Differenzen zwischen dem "Weg des Himmels bzw. der Natur" (tian dao) und dem des Menschen (ren dao) betonten, und dafür bis heute überall auf der Welt gültige Argumente ins Feld führten. Im Übrigen ist das unbestritten auch wirkungsmächtige Konzept der "Einheit von Natur und Mensch" (tian ren he yi) eine relative späte, wohl Han-zeitliche Vorstellung (vgl. Franke). Wie viele "moderaten Relativisten oder Pluralisten" (S. 6) setzt sich Mall schlichtweg nicht hinreichend mit potenetiellen Gegenarmenten auseinander. Er bleibt zu sehr im vagen Allgemeinen. Der philosophische Diskurs zwischen moderaten Relativisten und moderaten Universalisten wird überhaupt erst dann für alle Gewinn bringend sein, wenn sich (endlich) auch die Relativisten auf detaillierte Auseinandersetzungen einlassen.
Dieser kritischen Anmerkungen ungeachtet, hat Mall selbstverständlich Recht, wenn er betont, dass Kulturen weder völlig miteinander identisch noch völlig voneinander verschieden sind, und wie bereits gesagt ist Kulturzentrismus in der Tat abzulehnen. Aber diese zwei grundlegenden Feststellungen dürften so gut wie unbestritten sein.
Pohl regt in seinen Beitrag "Communitarianism and Confucianism - in Search of Common Moral Ground" an, "die Gültigkeit des von uns [Okzidentalen] lange geschätzten Denkens gemäß Entweder-oder-Dichotomien generell in Frage zu stellen" (S. 283). Eben diese Frage reflektiert eine Konfusion von logischer Gültigkeit und etwa pragmatischen Verhaltensregeln. Selbst wer ehrlich meinte, einem "Sowohl-als-auch" zu folgen, indem er, nach Pohl, "liberale westliche" und "kommunitaristische konfuzianische Orientierung" miteinander verbände, würde keinen logischen Widerspruch demonstrieren. Er würde weder das Widerspruchsfreiheitsprinzip noch das Tertium non datur verletzen. Denn die logische Struktur seines Verhaltens, das heißt die logische Form einer angemessenen Beschreibung oder Erklärung wäre eine Konjunktion, eine Verbindung, wie wir sie aus letztlich so unmissverständlichen Sätzen kennen, dass jemand dunkles und weißes Haar habe. Dem kompententen Sprecher ist sofort klar, dass damit gesagt ist, dass einige Haare dunkel und einige weiß seien. Aber nur Behauptungen, denen zufolge etwas in jeder (nur denkbar möglichen) Hinsicht (etwa) dunkel und weiß sei, würden die Sätze vom Widerspruch und ausgeschlossenen Dritten verletzen. Die Menschen können sich kaum so verhalten. Sie können es nur in Gedankengängen und sprachlichen Äußerungen tun. So kann man etwa fehlerhaft schlussfolgern oder sich in einem mathematischen Beweisversuch widersprechen. Sofern es um faktische Handlungen geht, wird deren logische Struktur erst in den entsprechenden sprachlichen Wiedergaben deutlich. Exakt ausgedrückt, haben auch nur diese Wiedergaben eine formallogische Struktur. Die Form von Handlungen selbst besitzt auch materiale Komponenten. Eine logisch angemessene Beschreibung wird aber stets widerspruchsfrei sein (müssen), und zwar einfach deshalb, weil die angeblichen Widersprüche im Verhalten eines Menschen stets hinreichend relativ zu spefizischen Prämissen zu verstehen bzw. zu rekonstruieren sind. Die angeblichen Widersprüche lassen sich stets folgendermaßen beschreiben: jemand habe T getan, weil er dabei unter den Vorraussetzungen V gehandelt habe. Er habe Nicht-T getan, weil er dabei anderen Voraussetzungen gefolgt sei.
Ebenfalls grundsätzlich problematisch erscheint mir Pohls Zustimmung zum Konzept "übereinkommender Gültigkeit" (S. 285). Solch eine "Gültigkeit" gibt es natürlich. Der Sache nach aber ist sie konventionelle Übereinkunft. Und man kann sich eben auch auf eine Regel oder ein Verhalten verständigen, dass keine Geltung besitzt oder besitzen sollte. So kann sich eine Gruppe, ja sogar die Mehrheit der Bevölkerung eines Staates, auf ein Unrechtssystem verständigen. Ohne ein Konzept einer Gültigkeit, die jeder Konsensualität und Kulturalität entzogen ist, ließe sich kein Unrechtsstaat kritiseren. Eine andere Frage ist es, wie man - über solche Kritik hinaus - gegen Unrecht vorgehen sollte.
Im Übrigen aber sind Pohls Ausführungen interessant und stimulierend. Er geht den Ursachen für tatsächlich bestehende kulturelle Krisen, kontroverse Diskurse und Transferprobleme nach und macht dabei auf Möglichkeiten kultureller Verständigung aufmerksam. Keine Frage, dass sich von bestimmten Formen des Konfuzianismus lernen lässt. Richtig dürfte auch sein, dass die Reflexion dieser Formen dazu beiträgt, Egoismus zu mindern. Die Entgegensetzungen freilich, von denen Pohl ausgeht - "absolutem Universalismus" und "willkürlichem Relativismus", "westlichem Individualismus" und "konfuzianischem Kommunitarismus" - sind zu krass, um wirklich fruchtbar zu sein. Sie schließen auch die Gefahr ein, "Individualismus" und "Egoismus" zu konfundieren. Dabei ist Gruppenegoismus im Allgemeinen erheblich gefährlicher als individueller Egoismus.
Auch Günther Wohlfahrts Studie "Modernity and Postmodernism - Some Philosophical Remarks on the Necessity of an East-West-Dialogue" fordert zu einem grundsätzlichen Einwand heraus. Wohlfahrt plädiert für eine postmoderne Metakritik, das heisst für die (selbst)kritische Reflexion der von ihm als Unternehmen der Kritik charakterisierten Moderne. Zumindest nach Konzept und Anspruch war bzw. ist bereits der von Popper inaugurierte Rationalismus (selbst)kritisch. Und Philosophen wie Hans Lenk führten diesen "Rationalismus" weiter und sprachen dann von "rationalem Kritizismus". Klar ist jedenfalls, dass jede ernst zu nehmende, verantwortungsbewusste Philosophie auch Metakritik im Sinne von Selbstkritik sein sollte. Wohlfahrt will also doch wohl mehr. Er wünscht sich eine von vornherein in bestimmte Richtung gehende Metakritik, die, wie ich es sehe, de facto anti-rationale Züge besitzen müsste. Dabei ist Wohlfahrt gewiss kein Freund des Irrationalen. Im Übrigen verlangte Wohlfahrts sonst sehr klar angelegte und stimmulierende Studie eine ausführliche Auseinandersetzung. Das gilt insbesondere für seine sehr positive Bewertung des ziran -Konzepts, dass er selbstironisch als sein "password" bezeichnet und mit "self-soing" übersetzt (S. 26), und für seine kritische Ablehnung der Unterscheidung zwischen einer "Subjekt-zentrierten Rationalität und Freiheit auf der einen Seite, und Natur, die Gesamtheit der Objekte, auf der anderen", die "kontrolliert" werden müsse (S. 16). In diesem Zusammenhang stellt Wohlfahrt auch fest, dass "ein denkendes Subjekt schlichtweg nicht exisiere". Letzeres dürfte zutreffen, wenn wir - ob nun philosophisch-ontologisch oder mikrophysikalisch - analysierend feststellen, dass (auch) die Menschen flüchtige Zusammensetzungen von entstehenden und vergehenden "Elementen" sind. Ohne eine pragmatischen Begriff der Individualität und Subjektivität dürften wir freilich so wenig auskommen wie einst selbst radikale buddhistische Ontologen. Darin jedoch liegt die Problematik, vor allen die Problematik einer Ethik. Wohlfahrt dürfte dies bewusst sein. Aus der bloßen Tatsache, dass auch wir Menschen zusammengesetzte Wesen sind, folgt (abgesehen von naturgesetzlichen Restriktionen) nichts für die Praxis, ja nicht einmal für unseren Umgang mit der Natur. Warum insistiert man nicht auf dem schon für sich "durchschlagenden" Argument, dass wir die Natur nicht zerstören dürfen, wenn wir (damit) nicht auch die Menschheit vernichten wollen?
Auch der Beitrag Kubins "Only the Chinese Can Understand China - The Problem of East-West-Understanding" ist ungemein anregend. Kubin bezieht sich auf die Erfahrung, dass jemand uns die Kompetenz abspricht, über ihn, seine Wertvorstellungen und Kultur zu urteilen, und zwar weil wir einer anderen Kultur angehörten. Kubin führt das Schema mit der rhetorischen Frage ad absurdum, ob nur die Nazis Nazis verstehen können bzw. verstehen konnten. Selbstverständlich schliesst das Grundmuster einen performativen Widerspruch ein. Denn wenn ein Chinese über einen Fremden sagt, er sei unfähig, ihn bzw. Chinesisches zu verstehen, dann müsste er (der Chinese) auch unfähig sein, dies überhaupt festzustellen. Warum sollte dann ein Chinese noch Germanist werden (wollen)? Zhuang Zis Anekdote über die Freude der Fische kann in diesem Kontext thematisiert werden.
Noch entschiedener als Pohls Ausführungen ist Heiner Roetz' "The 'Dignity within Oneself': Chinese Tradition and Human Rights" ein Beitrag zur Menschenrechtsdiskussion. Roetz geht es bei aller historisch-philologischen Exaktheit freilich stärker um Fragen der Gültigkeit. Mit der Wendung "dignity within oneself", "Würde in sich selbst", interpretiert Roetz eine zentrale Stelle des Menzius. Wie in früheren Studien arbeitet Roetz heraus, dass diese Passage in der Tat ein Konzept unantastbarer Menschenwürde formuliert. Er widerlegt damit die verbreitete Ansicht, dass ein solches Konzept dem traditionellen China fremd gewesen und Chinesen (auch) deshalb schwer vermittelbar sei.
Die meisten Beiträge verdienten umfangreichere Diskussion. Geldsetzers
Ausführungen über "Eurocentrism, Sinocentrism, and Categories of
a Comparative Philosophy" könnte mich zu einem - weithin zustimmenden
- eigenen Studie veranlassen. Nur gegen Geldsetzers "dialektischer Logik"
verwandte Rekonstruktion logischen Denkens und logischer Theorie in China
würde ich dabei Stellung beziehen. Aber es ist und kann nicht Aufgabe
einer Rezension sein, nun gleich selbst mit einer Art Buch zu antworten. Wenn
meine Äußerungen überwiegend kritisch akzentuiert sind, so
sollte dies denn auch nicht missverstanden werden. Warum soll ich mich lange
über Hypothesen auslassen, denen ich nur zustimmen kann? Es sind nun
einmal in entsprechender Form entwickelte kontroverse Hypothesen, die vor
allem Anlass zu fruchtbarer Auseinandersetzung bieten. Um es noch einmal
anders zu sagen: Überwiegt in meiner Rezension auch die Kritik, so bedeutet
dies nicht, und soll dies nicht bedeutetn, dass ich von einer Lektüre
des Buches abraten wollte. Im Gegenteil. Ich sehe in ihm eine Herausfordeurng,
auf die man sich einlassen sollte.